Ihre Mandatinnen durchlebten die HölleSiegburger Anwältin über ihre Arbeit am Abgrund

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Dagmar Schorn während eines Prozesses.

von Iris Klingelhöfer (iri)

Bonn/Siegburg – Sie steht den Schwachen zur Seite, denen, die Schreckliches erleben mussten…

Dagmar Schorn (43, zwei Töchter) ist seit 14 Jahren Fachanwältin für Strafrecht, arbeitet seit 2012 aber fast ausschließlich als Opferanwältin. 

Unter anderem vertrat sie eine 23-Jährige, die von einem Ehepaar aus Ruppichteroth als Sex-Sklavin gehalten wurde. Vor allem der inzwischen verstorbene Ehemann soll die junge Frau vergewaltigt, missbraucht und erniedrigt haben. Der Fall schrieb 2017/18 Schlagzeilen. Im Februar endete er mit einem Schuldspruch (ein Jahr und fünf Monate auf Bewährung) für die angeklagte Witwe (hier mehr lesen).

Was bedeutet das Urteil im Fall Ruppichteroth für Ihre Mandantin?

Für sie war die Verurteilung der Täterin eine große Erleichterung. Dieser Fall war sehr ungewöhnlich, so dass in einer ersten Reaktion viele ihre Schilderung als unglaubwürdig eingestuft haben mögen. Umso wichtiger war es für sie, dass sie und ihre Geschichte vom Gericht ernst genommen wurden und der Richter in der Urteilsbegründung betont hat, dass er ihr jedes Wort glaubt.

Wie war die Zeit des Prozesses?

Der Prozess hat meine Mandantin sehr aufgewühlt. Insgesamt wurde sie zirka 20 Stunden vernommen, was schon unter normalen Umständen eine hohe Belastung darstellt. Sie wurde durch den Prozess an die Grenze ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit geführt.

Nehmen Sie Fälle wie diesen „mit nach Hause“? Haben Sie einen Ausgleich?

Natürlich lassen sich solche Schicksale und die dahinter liegenden Geschichten nicht einfach mit dem Schließen der Bürotür abstreifen. Manche Fälle beschäftigen mich daher auch in meiner Freizeit sehr, auch wenn ich in meinen rund 14 Berufsjahren natürlich mittlerweile viel gehört, gesehen habe und entsprechend heute ein dickeres Fell und einen entspannteren Umgang mit Dingen habe als zu Anfang meiner Tätigkeit.

In meiner Freizeit versuche ich, mir unter anderem mit Sport meinen Ausgleich zu schaffen. Im Übrigen bietet mir meine Familie einen großen Rückhalt.

Gibt es Fälle, die Sie nie vergessen werden?

Meinen ersten Opferschutzfall, ein Ponyhofbesitzer, der meine minderjährige Mandantin missbraucht hat. Das hat mich damals sehr schockiert und ich habe lange gebraucht, meinen Kindern später Reitunterricht zu erlauben. Meine Mandantin hat den Täter zu Beginn noch zu schützen versucht und wurde darauf hin wegen Falschaussage strafrechtlich verfolgt, aber ich konnte ihr letztlich den Mut und die Einsicht vermitteln, die es ihr ermöglicht haben, das Verfahren durchzustehen.

Ein anderer Fall betraf ein bildhübsches Mädchen, das über Tage von ihrem damaligen Freund festgehalten und immer wieder mit heißem Wasser übergossen wurde, so dass ihr Körper am Ende von Narben übersät war.

Ganz besonders ist mir auch der Mord ohne Leiche in Erinnerung geblieben. Nach einer Verurteilung im ersten Prozess wurde das Urteil vom BGH aufgehoben und der Täter in der Neuauflage freigesprochen (hier mehr lesen). Ich bin bis heute davon überzeugt, dass die Verurteilung seinerzeit zu Recht erfolgte. Meine Mandantin, die heute elfjährige Tochter der Getöteten, erhält mangels Leiche weder eine Halbwaisenrente noch hat sie ein Grab, an dem sie um ihre Mutter trauern könnte.

Was ist für Sie das Besondere als Opferanwältin zu arbeiten?

Unser Strafrechtssystem stellt den Täter in den Mittelpunkt des Prozesses. Ich versuche, den Opfern im Prozess eine Stimme zu verleihen und ihnen dabei zu helfen, mit Hilfe des Strafprozesses das Erlebte für sich besser verarbeiten zu können und vielleicht sogar neue Stärke aus dem Erlebten zu ziehen.

Worin bestehen Ihre Aufgaben?

Meine Hauptaufgabe ist die Vertretung des Opfers im Straf- und Ermittlungsverfahren. Ich kann in diesem Rahmen in gewissem Umfang auf die Ermittlungen Einfluss zu nehmen versuchen, Beweisanträge stellen, Zeugen befragen und so dazu beitragen, dass der Täter seiner gerechten Strafe zugeführt wird und die Stimme des Opfers dabei nicht zu kurz kommt.

Ein zweiter Tätigkeitsschwerpunkt ist die Verfolgung der finanziellen Interessen der Opfer, sei es in Form des Schmerzensgeldes gegenüber dem Täter oder unter dem Opferentschädigungsgesetz, das bei besonders schweren Straftaten finanzielle Leistungen vom Staat vorsieht.

Schließlich stehe ich meinen ganz überwiegend weiblichen Mandantinnen zivilrechtlich bei, in dem ich Gewaltschutzverfügungen (Näherungsverbote, Wohnungszuweisung) erwirke und so meine Mandantinnen vor tätlichen Angriffen schütze.

(exfo)