Selbstmord-Akte PolizeiErschreckend! 41 Beamte in NRW brachten sich um

Immer im Brennpunkt: Polizisten sind bei Unfällen im Einsatz, sind mit Opfern von Gewaltverbrechern konfrontiert, halten den Kopf bei Ausschreitungen auf Demos oder im Fußballstadion hin.

Immer im Brennpunkt: Polizisten sind bei Unfällen im Einsatz, sind mit Opfern von Gewaltverbrechern konfrontiert, halten den Kopf bei Ausschreitungen auf Demos oder im Fußballstadion hin.

Düsseldorf – Sie sehen Bilder, die kein Mensch der Welt so einfach loswird: Entstellte Leichen nach einem Autounfall, misshandelte Kinder, die rohe Gewalt auf der Straße oder am Fußballstadion.

Nicht selten werden Polizisten auch selbst Opfer von Angriffen. Die Abgründe der Gesellschaft, der Tod - das ist ihr Alltag. Kommen andere Belastungen hinzu, sehen zu viele Beamte für sich selbst keine andere Lösung als den Suizid.

Diese Statistik macht traurig und nachdenklich

Es ist eine Statistik, die traurig und nachdenklich macht. 41 Polizeibeamte aus Nordrhein-Westfalen nahmen sich allein in den letzten fünf Jahren das Leben (seit 2002: 97). Drei warfen sich vor einen Zug, vier erhängten sich, zwei starben an einer Überdosis Medikamente. In den allermeisten Fällen (29) sorgte die Dienstwaffe für den eigenen Tod. Achtmal endete das Leben der Gesetzeshüter im Dienstgebäude.

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Suizid bei der Polizei – noch immer ein Tabuthema. EXPRESS liegen exklusiv neue Zahlen des NRW-Innenministeriums vor.

Der CDU-Experte Gregor Golland (40), auf dessen Anfrage Minister Ralf Jäger (54, SPD) die Fakten nun lieferte, nennt die Aufstellung „erschreckend und überraschend“. Er fragt sich: „Wird wirklich genug getan für unsere Polizisten?“

Die meisten Fälle gibt es in Köln

Mit Abstand die meisten Selbstmorde meldete das Polizeipräsidium Köln: Acht Kölner Polizisten nahmen sich seit 2010 das Leben. Der letzte aktenkundige Fall datiert vom 13. November.

Gut 10 000-mal pro Jahr wird in ganz Deutschland der Suizid festgestellt – er ist weit öfter Todesursache als Unfälle im Haushalt oder im Verkehr. Banker, Unternehmer, Landwirte, Krankenschwestern und Ärzte gelten als besonders gefährdete Gruppen. Und eben Polizisten.

Nach den Zahlen des Innenministeriums ist die Selbstmordrate unter den rund 40.000 Polizisten in NRW in etwa doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Die Gründe sind vielfältig: Nur einmal sei das Motiv klar dienstlich gewesen, so das Ministerium, in 16 Fällen sei es unbekannt. 24-mal habe die Ursache im privaten Bereich gelegen. Allerdings, findet Innenpolitiker Golland: „Die auffällig hohe Zahl der Suizide in Dienstgebäuden muss uns zu denken geben. Wer den Arbeitsort wählt, will doch ein Signal setzen.“

Laut Experten ist es oft die Kombination mehrerer Probleme: Stress im Job, gerade im Schichtdienst, Eheprobleme, Schulden. Das Gefühl der totalen Verzweiflung ohne die Aussicht auf einen Ausweg.

Für den früheren Landespolizeipfarrer Martin Krolzig (73) ist jedenfalls klar, dass die stets griffbereite Dienstwaffe den Weg zur Selbsttötung verkürzt. „Der Polizist muss nicht lange nach einem Mittel suchen, um sich zu töten“, sagt der Seelsorger. „Er trägt es ständig bei sich.“

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Die traurigen Fälle

Was führt Polizisten in den Suizid? Eine Chronik der traurigen Ereignisse.

• Februar 2014: Ein Düsseldorfer Polizist warf sich vor den Zug. Seit Wochen liefen Ermittlungen gegen ihn, er soll beim Verkauf von Autos betrogen haben. Ein paar Tage vor dem Suizid war er von seinem Dienst beurlaubt worden.

• November 2013: Schock und Trauer im Polizeipräsidium Köln über zwei Selbstmorddramen binnen 24 Stunden. Der Leiter des „Kriminalkommissariats Raub“ erschoss sich nahe der Behörde. Er hatte mit seinen Kollegen Schlagzeilen gemacht, als er eine Bande sprengte, die in Köln und Düsseldorf Nobel-Juweliere wie „Wempe“ ausgeraubt hatte. Kurz zuvor hatte sich schon ein 34-jähriger Kripo-Beamter des „Kommissariats 51“ erhängt. Das Motiv für den Freitod in beiden Fällen: persönliche Probleme.

• November 2006: Der Hennefer Kripo-Chef erschoss sich auf der Wache. Den zweifachen Familienvater (49) soll der stressige Polizeidienst in den Suizid getrieben haben.

• Juli 2006: Ein Bonner Polizist wurde im letzten Moment von Passanten gerettet. Er lag vor einer Parkbank, voll mit Wodka und Tabletten. Seine entsicherte Dienstwaffe neben ihm, dazu ein Abschiedsbrief und ein Foto seiner Hochzeit.

• März 2006: Die Polizei Euskirchen trauerte um ihren Kripo-Chef (56). Der Familienvater erschoss sich im Wald in seinem Auto.

• Februar 2006: Ein Troisdorfer Polizist brachte sich zu Hause mit seiner Dienstwaffe um.

• Juli 2005: Eine Kölner Polizistin erschoss sich in einem Hotel in Hennef.

• August 2004: Ein Polizist (43) erschoss sich mit seiner Dienstpistole bei Weilers-wist. Den Vater einer Tochter sollen private Probleme gequält haben.