Phänomen No-ShowsWarum Airlines mehr Tickets verkaufen als Plätze da sind

Flugzeug_bord_dpa

Für die Fluggesellschaften sind nur volle Flieger rentabel. Deshalb überbuchen sie regelmäßig ist ihre Maschinen.

Drei Millionen Passagiere lassen allein bei Lufthansa jährlich einen Flug verfallen. Diesen sogenannten No-Shows begegnen Airlines mit einem ausgeklügelten Prognosesystem, um ihre Maschinen zu überbuchen. Was bedeutet das in der Praxis für die Passagiere?

Manchmal ist es ganz einfach, auf einen Schlag 400 Euro zu verdienen. Man muss als Fluggast nur schnell genug seine Hand heben. Ein Beispiel: Es war in München, kurz vor dem Abflug nach Toronto. Beim Boarding bat die Mitarbeiterin der Lufthansa um Aufmerksamkeit und teilte mit, dass die Maschine überbucht war. Ob sich wohl drei Gäste fänden, die für je 400 Euro Sofort-Entschädigung bereit wären, erst am nächsten Morgen zu fliegen? Die Nacht im Hotel würde natürlich übernommen.

„No-Shows“, Reisende die ihren Flug nicht antreten

Als Student mit wenig Geld zögert man da nicht lange: Man darf eine Nacht in einem Fünf-Sterne-Hotel verbringen, und die Urlaubskasse ist plötzlich bestens gefüllt. So gut wie immer gibt es Passagiere, die nicht zu ihren Flügen erscheinen. In der Luftfahrtbranche nennt man diese Kunden „No-Shows“. Reisende also, die ihren Flug trotz eines gültigen und bezahlten Tickets nicht antreten. Deshalb überbucht jede Airline ihre Maschinen.

Dass es dafür gute Gründe gibt, zeigt ein Blick in die Zahlen: Allein bei Lufthansa erscheinen jedes Jahr drei Millionen Passagiere nicht am Check-in-Schalter, wie Lufthansa-Sprecher Florian Gränzdörffer sagt. So viele Menschen könnten die Sitzplätze von 8700 vollbesetzten Boeing 747-Langstreckenjets füllen.

Zu rund 10 Prozent überbucht

Für die Fluggesellschaften ist das eine große wirtschaftliche Herausforderung. Denn nur volle Flieger sind rentabel. Man müsse davon ausgehen, dass ein Flugzeug zu durchschnittlich rund zehn Prozent überbucht wird, sagt David Haße, vom Portal Airliners.de. Dass dennoch nur selten jemand am Gate zurückbleibt, „hängt mit dem ausgeklügelten Prognose-Management der Fluglinien zusammen“. Airlines wüssten recht genau, auf welchen Strecken Passagiere häufiger nicht erscheinen – und warum.

Die Lufthansa bestätigt das: Während etwa ein japanischer Kunde so gut wie immer am Gate erscheine, sei die No-Show-Quote in Indien besonders hoch, berichtet Gränzdörffer. Zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit, wie viele Sitzplätze auf welcher Strecke leer bleiben werden, braucht es aber viel mehr Parameter als verhaltensbasierte Erfahrungswerte unterschiedlicher Kulturkreise. „In das Prognose-System fließen Umbuchungs-Statistiken, aktuelle Wetterdaten, Feiertage, Ferienzeiten und Eventinformationen am Start- und Zielort ein“, erklärt Experte Haße.

Lufthansa betreibt ein Prognosesystem

Ein Beispiel: Jemand hat ein Billigticket für unter 50 Euro hin und zurück für ein Wochenende nach Barcelona gebucht. Schon Tage vor dem Abflug ist klar, dass das Wetter sich wegen eines Sturmtiefs über Spanien um 15 Grad abkühlt. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass dieser Gast seinen Flug verfallen lässt“, so Haße.

Was die No-Shows mit den Ticket-Preisen zu tun haben.

Leeres Flugzeug

Nur ein Passagier in der Maschine? Das kann sich keine Airline auf Dauer leisten. Im Gegenteil: Die Maschinen werden überbucht, weil manche Gäste einfach nicht erscheinen.

Bereits 361 Tage vor dem Start beginnt Lufthansa, das Prognosesystem für jeden Flug mit Informationen zu füttern. Ergebnis: 300 000 Passagiere wurden 2015 auf eigentlich ausgebuchten Flügen doch noch befördert. „Auf einen Passagier, dem wir am Gate sagen müssen, dass er wegen Überbuchung leider nicht mitfliegen kann, kommen acht Gäste, denen wir trotz Überbuchung noch einen Sitzplatz anbieten können“, sagt Gränzdörffer. Dies führe nicht nur zu einer besseren Auslastung. „Sondern auch dazu, dass wir die Ticketpreise möglichst niedrig halten können“, so der Lufthansa-Sprecher.

Entschädigung und kostenlose Umbuchung

Doch wie ist die Rechtslage? Für Passagiere, die wegen Überbuchung aufgrund der falsch prognostizierten No-Shows am Boden bleiben, ist die Sache eindeutig: Ihnen steht mindestens eine Entschädigung nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung zu. Hinzu kommen die kostenlose Umbuchung auf den nächstmöglichen Flug, falls nötig Übernahme der Hotelkosten sowie Auslage von entstehenden Nebenkosten wie Mahlzeiten, Telefonaten und eventuelle Transfers.

Passagiere, die nicht fliegen dürfen und jene, die sich freiwillig melden, seien völlig gleichgestellt, betont Gränzdörffer. Doch meist ließen sich Freiwillige finden. Für Passagiere, die einfach nicht erscheinen, ist die Sache dagegen komplizierter. Denn im Einzelfall kann die Fluggesellschaft bei Nichtinanspruchnahme des Rückfluges Mehrkosten erheben. „Etwa dann, wenn durch eine bestimmte Kombination von Flügen ein günstigerer Ticketpreis erhältlich ist“, erklärt Holger Hopperdietzel, Anwalt einer Kanzlei für Reise- und Tourismusrecht in Wiesbaden.

Passagier kann einfachen Flug verfallen lassen

Beispiel: Die Ticketkombination von Wien über Frankfurt nach Bangkok und zurück ist als Paket günstiger als die Strecke Frankfurt-Bangkok. Wenn der Fluggast die letzte Teilstrecke Frankfurt-Wien nun nicht in Anspruch nimmt, könne er mit einer Nachbelastung rechnen, sagt Hopperdietzel. Die meisten Airlines regeln in ihren AGB, dass ein Fluggast verpflichtet ist, alle im Flugschein ausgewiesenen Teilstrecken in der beschriebenen Reihenfolge in Anspruch zu nehmen. Wer bei einem einfachen Hin- und Rückflug ohne Umsteigen die Reise nicht antritt, kann seine Flüge aber einfach verfallen lassen. (dpa)

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