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Schul-Mobbing13-Jähriger mit Nackt-Foto erpresst

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Trauriger Alltag auch an Bonns Schulen: Wie in dieser Szene werden häufig Kinder von Mitschülern fertig gemacht.

von Iris Klingelhöfer (iri)

Bonn – Der Fall der zwölfjährigen Sofie, die durch Hass-Nachrichten von Mitschülern der Gesamtschule Euskirchen fast in den Selbstmord getrieben wurde, hat sehr viele Leser geschockt. 

Wie schlimm sieht es an Bonner Schulen aus? EXPRESS-Reporterin Iris Klingelhöfer sprach mit Kriminalhauptkommissar Mario Becker (57). Er hat als Jugendkoordinator beim Kommissariat „Kriminalprävention“ auch mit Mobbing unter Schülern zu tun.

Wie ist die Situation an Bonner Schulen?

„Mobbing ist ein allgegenwärtiges Problem in allen Schulformen. Lehrer berichten mir, dass es derzeit in den Jahrgangsstufen 7 mit Pubertätsbeginn am drängendsten ist, Grundschulen können aber durchaus auch schon betroffen sein. Seit einigen Jahren nimmt die körperliche Gewalt immer weiter ab, das sogenannte Cybermobbing nimmt zu. Früher hieß das Hänseln, dann Dissen, jetzt Hatespeech.“

Wie sieht Mobbing aus?

„Mobbing ist ein wiederholter Angriff, ein systematisches Demontieren einer Person. Schüler werden dauerhaft und immer stärker erniedrigt, es ist eine Gewaltspirale. Beim Opfer löst es oft ein Gefühl der Ausweglosigkeit aus, das bis zu Suizidgedanken oder sogar zum Suizid führen kann.

In einer betroffenen Klasse gibt es regelmäßig eine aktive Mobbergruppe, bestehend aus Rädelsführer und Mitläufern, außerdem eine schweigende Mehrheit und einen Teil, der Mitleid mit dem Opfer hat, sich aber nicht einzumischen  traut aus Angst, dass sie die nächsten sind, die fertig gemacht werden.

Wer mobbt, hat oft eine defizitäre Persönlichkeitsstruktur, ein angeknackstes Ego. So jemand will sich auf Kosten Schwächerer erhöhen.“

Was hat selbst Sie fassungslos gemacht?

„Ein Dreizehnjähriger wurde nach dem Sportunterricht nach dem Duschen nackt fotografiert, mit Fokus auf den Genitalbereich. Mitschüler boten ihm an, das Foto für 20 Euro zu kaufen und drohten ihm, dass sie es sonst ins Internet stellen würden. Obwohl er 20 Euro zahlte, veröffentlichten sie es. Ein klarer Fall von Erpressung, der bei Erwachsenen mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden kann. In einem anderen Fall sagte mir ein eher introvertierter Junge aus einer 5. Klasse, dass er nicht mehr leben will. Weil er im Unterricht erzählt hatte, dass seine Katze in seinen Kleiderschrank uriniert hatte, war er von allen nur noch „Katzenpisse“ genannt worden.“

Wie ist diese Entwicklung zu erklären?

„Es ist eine Ursachenvielfalt. Ich sehe in der Gesellschaft einen gewissen Erosionsprozess. Grundwerte, wie zum Beispiel der Fairnessgedanke, werden in vielen Elternhäusern nicht mehr vermittelt. Weil ihr Handeln oft keine Konsequenzen hat, fehlt Tätern zudem das Unrechtsbewusstsein.

Aber auch durch die neuen Internetmedien: Sie wirken wie ein Verstärker, bieten eine unmittelbare Nähe zum Opfer und gleichzeitig Anonymität. Dadurch ist Stimmungsmache einfach.“

Wie sieht Ihre Präventionsarbeit in Schulen aus?

„Ich unterstütze im Rahmen schulischer Projekte. Das reicht von der Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien bis zu Klassenbesuchen. Eine meiner Botschaften ist, dass es kein Petzen ist, wenn jemand Hilfe braucht und ich die Information weitergebe – das ist Hilfeleistung. Die positiven Kräfte, die Empathie, die in jeder Klasse vorhanden sind, muss man stärken. Prosoziales Lernen ist unverzichtbar.“

Gibt es einen Ausweg?

„In der Wiederholung dieser Angriffe liegt auch eine Chance. Helfer haben Zeit, sich mit anderen aus der Klasse zu solidarisieren – um, wenn es zum nächsten Mobbingangriff kommt, gemeinsam aufzustehen.“

Sehen Sie die Schulen in der Verantwortung?

„Schule hat nicht nur einen Bildungs-, sondern auch einen Erziehungsauftrag – eine riesige Aufgabe, die sie aber nicht alleine stemmen kann. Auch die Eltern müssen ihre Kinder im Blick haben.“

(exfo)