Ken Follett schuf mit „Die Säulen der Erde“ einen Bestseller. Anlässlich der fünften Fortsetzung der Reihe sprach er mit EXPRESS.de über Lehren aus der Geschichte, Künstliche Intelligenz und starke Frauen.
„Die Säulen der Erde“Ken Follett erklärt seine Schwäche für die Deutschen: „Bin so berührt“
Der Meister der historischen Romane lädt nach London, in den prestigeträchtigen Reform Club. Ken Follett (74) stellt sein neues Buch vor, „Die Waffen des Lichts“ (Bastei Lübbe, 36 Euro): Es ist die fünfte Fortsetzung seiner Kingsbridge-Reihe, die mit „Die Säulen der Erde“ (1989) ihren fulminanten Auftakt feierte.
Der Dresscode für den Nobel-Club ist streng. Star-Autor Ken Follett ist es nicht. Im Interview mit EXPRESS.de zeigt er sich charmant, witzig und von Deutschland und speziell Köln sehr begeistert.
Ken Follett: Künstliche Intelligenz kann alles verändern
Für Ihren neuesten Roman „Die Waffen des Lichts“, der zwischen 1792 und 1824 spielt, haben Sie sich intensiv mit Spinn- und Webtechniken beschäftigt, saßen auch selbst am Spinnrad ...
Ken Follett: Ja, viele Jahrhunderte arbeiteten die Menschen an einfachen Spinnrädern, es war mühsame Arbeit, für die man viel Geduld brauchte. Dann kamen mit der Industrialisierung neue Maschinen auf. Die Arbeit veränderte sich, die Menschen zogen in Städte, das Leben verändert sich. Das machte vielen Angst. Aber es brachte auch neue Möglichkeiten.
Sehen Sie da eine Parallele zu unserer Zeit, wo Künstliche Intelligenz alles verändern kann?
Ken Follett: Das kann durchaus sein.
Könnte Künstliche Intelligenz den nächsten Ken-Follett-Roman schreiben?
Ken Follett (lacht): Sie könnte zumindest einen schlechten Roman schreiben. Kreative Künstler schaffen es, Erwartungen zu wecken, dann aber einen völlig überraschenden Weg einzuschlagen. Leser möchten überrascht werden. Ich glaube nicht, dass Künstliche Intelligenz das so kann wie ein Mensch.
Haben Sie KI schon mal für Ihre Recherchen genutzt?
Ken Follett: Noch nicht, ich werde das aber sicher ausprobieren. Und da freue ich mich auch schon drauf.
Sie reisen viel für Ihre Buchrecherchen. Reisen Sie auch privat gern?
Ken Follett: Ich reise nicht mehr so viel wie vor der Pandemie. Hin und wieder besuche ich die Familie in Süd-Kalifornien. Bald mache ich Urlaub auf Capri, aber ich glaube, da ist nichts für mich für ein Buch zu holen.
Ken Follett: „Ich habe eine Schwäche für die Deutschen“
Wie oft sind Sie in Deutschland?
Ken Follett: Früher war ich öfter dort, für jedes neue Buch. Auch das hat leider mit der Pandemie abgenommen. Ich bin berührt von deutschen Leserinnen und Lesern. Sie haben „Die Säulen der Erde“ so sehr geliebt. Ich habe eine Schwäche für die Deutschen.
Wieso?
Ken Follett: Weil ich als junger Mann eine wundervolle Liebelei mit einer deutschen Frau hatte. Sie hat in London gearbeitet. Und ich war verrückt nach ihr.
Was haben Sie dabei über deutsche Frauen gelernt?
Ken Follett: Ich habe zumindest nicht Deutsch gelernt, sie hat einfach zu gut Englisch gesprochen. Was ich gelernt habe? (lacht verschmitzt) Das sind Dinge, die ich Ihnen nicht erzählen kann.
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Wenn immer Sie nach Köln kommen, wo Ihr deutscher Verlag Bastei Lübbe sitzt, gehen Sie auch in den Kölner Dom. Was fasziniert Sie so an ihm?
Ken Follett: Ja, jedes Mal. Er ist ein ausgezeichnetes Beispiel für gotische Architektur. Er ist so groß und ein Überlebender. Die Briten haben alles versucht, ihn zu zerstören. Hat, Gott sei Dank, nicht geklappt. Ich mag zum Beispiel das moderne Richter-Fenster sehr.
Waren Sie auch schon mal zum Karneval im Rheinland?
Ken Follett: Nein, Karneval ist gar nicht mein Ding. Wir haben in Notting Hill in London einen großen Karneval. Da hat es mich auch noch nie hingezogen.
Wenn Sie eine Zeitmaschine hätten und an einen bestimmten Punkt in der Geschichte zurückkehren könnten, zu welchem würden Sie gerne reisen?
Ken Follett: Auf jeden Fall ins Mittelalter und zuschauen, wie eine Kathedrale gebaut wird. Ich habe mich einen großen Teil meines Lebens damit beschäftigt, so viel darüber gelesen. Vor Ort zu sein, mit Leuten zu sprechen, wäre ein Traum.
Aber Sie würden nur zuschauen oder mit anpacken wollen?
Ken Follett: Nein, das würde ich lieber lassen. Obwohl ich fasziniert bin von der Baukunst, bin ich ein hoffnungsloser Fall, wenn es ums Handwerk geht. Ich kann nicht mal Bücherregale aufbauen. Man hat mich neulich auf das Dach einer Kathedrale in der Bretagne eingeladen, für die ich gespendet hatte. Man ließ mich eine Dachschindel anbringen. Ich musste nur einen Nagel reinschlagen, das Loch war vorgebohrt. Ich habe es trotzdem falsch gemacht.
Ken Follett: Erstarken der rechten Parteien macht dem Bestsellerautor Sorgen
Mit Ihren Büchern schauen Sie in die Vergangenheit. Warum lernen wir Menschen so wenig aus der Geschichte?
Ken Follett: Eine sehr gute Frage. Ich weiß es auch nicht. Ich bin sehr beunruhigt von den rechten Parteien, die bei Wahlen in Europa derzeit so gut abschneiden. Ich denke immer: Warum begreifen die Menschen das nicht? Wir sind doch alle Europäer! Faschismus hat so viel Leid und Elend gebracht und trotzdem gibt es immer noch einige, die das nicht wissen oder es vergessen haben. Oder die es nicht glauben.
Brauchen wir einen anderen Politiker-Typus, um den rückwärtsgewandten Ideologien etwas entgegenzusetzen?
Ken Follett: Am meisten brauchen wir informierte Wähler. Sie müssen wissen, wie ihre Entscheidungen die Welt und ihr eigenes Leben beeinflussen. Wir haben im 20. Jahrhundert mit so vielen Staatsformen experimentiert. Nur eine hat so vielen Menschen Freiheit und Wohlstand gebracht: Demokratie. Natürlich ist nicht alles perfekt, aber es ist das beste System bisher. Es braucht ein paar Voraussetzungen. Dass Menschen zu unvoreingenommenen Nachrichten Zugang haben, dass sie nicht in Informationsblasen leben.
In Ihren Büchern tauchen fast nur starke Frauen auf, auch „Die Waffen des Lichts“ bildet da keine Ausnahme. Was ist das mit Ihnen und den eigenwilligen, unabhängigen Frauen?
Ken Follett: Nun, ich treffe keine anderen, ich kenne nur starke Frauen.
Liest Ihre Frau Ihre Bücher, bevor Sie sie veröffentlichen?
Ken Follett: Ja, das tut sie und sie macht dann immer gute Anmerkungen. Sie schaut sich ganz genau die weiblichen Charaktere an. Und wenn sie da was zu meckern hat, ändere ich das.
Sie spielen in der Folk-Band Clog Iron. Wie oft üben Sie?
Ken Follett: Gerade wieder regelmäßig, weil wir ein paar Gigs haben. Wir spielen viel umsonst auf Charity-Veranstaltungen. Wir machen echt gute Tanzmusik. Große Hits von den 60ern bis heute. Bloß kein Altherren-Rock, auch wenn wir in dem Alter sind (lacht). Es soll ja nicht peinlich werden. Wenn wir merken, dass die Leute von der Tanzfläche verschwinden, hören wir ganz schnell auf.
Ken Follett: Seine Bücher wurden 188 Millionen Mal verkauft
Ken Follett (geboren am 5. Juni 1949 in Cardiff, Wales) ist einer der erfolgreichten Autoren der Welt. Seine Bücher wurden über 188 Millionen Mal verkauft, in 40 Sprachen übersetzt. Bisher hat er 37 Romane geschrieben. Er wuchs in London auf, wurde Journalist. 1978 dann der Durchbruch als Autor mit „Die Nadel“. In Deutschland stand „Die Säulen der Erde“, der erste Roman aus dem fiktiven Kingsbridge, über Jahre in den Bestsellerlisten.
„Die Waffen des Lichts“ soll der letzte Teil der Reihe sein. „Man darf seine Leser ja auch nicht langweilen“, sagt Follett. „Ich will nicht ausschließen, dass ich noch einmal nach Kingsbridge zurückkehre.“ Er wolle weiter Historienromane schreiben. „Die Leute lieben das. Diese Romane fordern mich heraus.“ Follett recherchiert alles selbst, für sein neuestes Werk verbrachte er z. B. eine Woche auf dem Schlachtfeld von Waterloo. Follett lebt mit seiner Frau Barbara, einer ehemaligen britischen Labour-Politikerin, in der Nähe von London. Die beiden haben fünf Kinder, sechs Enkel und drei Labradore.