ARD verfilmt den SkandalDie TV-Akte Barschel im Realitäts-Check

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Täuschend ähnlich: Matthias Matschke lag für diese Szene stundenlang in der Badewanne.

Wahre Geschichte(n) zu verfilmen, ist nie einfach. In diesem Fall war es aber besonders schwer. Um den 1987 verstorbenen Uwe Barschel (†43) ranken sich so viele Mythen wie keinen anderen Politiker. Der ARD-Film (läuft Samstag, 20.15 Uhr) wurde deshalb generalstabsmäßig geplant. Wird er dem echten Thriller gerecht? Wir sahen ihn vorab. Die TV-Akte Barschel im Realitäts-Check.

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Edgar Selge als Politik-Chef des „Spiegel“, der durch seine Enthüllungen den Skandal ins Rollen brachte.

Der Hauptdarsteller: Natürlich steht und fällt ein Film über Uwe Barschel mit dem Mann, der den Politiker mimt. Auf Matthias Matschke (47), bekannt aus Comedy-Formaten wie der „heute Show“ oder „Pastewka“, kommt man nicht sofort. Umso akribischer bereitete der Schauspieler sich vor. „Ich habe das wie ein Musikstück gelernt, die Versprecher, die Atmer, die Tonhöhen“, erzählt er. „Wie Zwölftonmusik. Aber ich wollte auch das darstellen, was damals nicht vor der Kamera lief. Die Maskenbildnerin hat die Verwandlung dann vollständig gemacht.“ Regisseur Kilian Riedhof (44) schwärmt: „Matthias hatte schon beim ersten Casting eine erstaunliche Ähnlichkeit, was die Mimik und die Stimmlage anging.“ Dem kann man sich uneingeschränkt anschließen. Viele Szenen wirken fast dokumentarisch, weil Matschke so nah am Original agiert.

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Auf der legendären Pressekonferenz gibt Uwe Barschel (Matthias Matschke, Mitte) sein Ehrenwort, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe haltlos seien.

• Der restliche Cast: Neben Barschel glänzen Kinostar Alexander Fehling (34, „Goethe“) sowie die „Tatort“- bzw. „Polizeiruf“-Kommissare Fabian Hinrichs (41), Edgar Selge (67) und Margarita Broich (55) als Journalisten und deren Gefährtin. Sie machen die Hintergründe greifbar.

• Das Kostümbild: Die meiste Arbeit steckte in diesem Bereich. „Die richtige Haltung war auch wichtig“, erklärt Kostümbildnerin Lucia Faust. „Der Schnitt der Anzüge war nicht wichtig, die Schulterpolster waren entscheidend. In dem Moment, als Matthias Matschke die Polster drin hatte, hat er eine andere Haltung und eine andere Gangart angenommen. Dann kam plötzlich Barschel zur Tür rein.“

Die Badewannen-Szene: Kein Barschel-Film ist vorstellbar ohne den toten Politiker in der Badewanne. „Das ist der Gral des ganzen Films“, weiß Matschke. „Jeder über 40 hat dieses Bild vor Augen. Auf der Szene war ein ganz großes Schlaglicht.“ Dass sie täuschend echt rüberkommt, machte viel Mühe. „Die Krawatte wurde extra gemalt, weil es so was nicht mehr gibt“, sagt Faust. „Wir haben lange gezittert, ob die Farbe hält, wenn der so lange im Wasser liegt.“ Matschke blieb fast eine Stunde im Nassen liegen, bevor die Szene im Kasten war. Der Einsatz hat sich gelohnt!

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Dieser Fall wird wohl nie ganz geklärt

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Chefermittler im Fall Barschel: der frühere Oberstaatsanwalt Heinrich Wille.

Es war ein Foto, das die Republik schockierte: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) liegt tot in der Badewanne des Zimmers 317 im Genfer Hotel „Beau Rivage“. Bekleidet mit Hemd, Hose und Krawatte. Fast, als würde er morgen wieder zur politischen Tagesordnung schreiten. Es ist der 11. Oktober 1987. Der Beginn eines Polit-Krimis, den TV-Autoren nicht besser hätten schreiben können.

Ergebnis der Ermittlungen der Schweizer Polizei ergeben: Selbstmord, ein tödlicher Cocktail aus acht Medikamenten und Giftstoffen. Doch Zweifel kommen schnell auf. Die Nachforschungen: nachlässig. Ein Asservat vom Tatort: einfach verschwunden. War es doch Mord, oder eine politisch motivierte „Sterbehilfe“?

Barschels gruseliger Tod hat eine Vorgeschichte: Im September 1987 läuft der Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein auf Hochtouren, da platzt eine Bombe: Reiner Pfeiffer, Medien-Referent in der CDU-Staatskanzlei, hat Barschels Herausforderer Björn Engholm (SPD) bespitzeln lassen und ihm eine HIV-Infektion angedichtet. Auftraggeber soll sein Chef Barschel gewesen sein. Ein paar Tage später das berühmte „Ehrenwort“ Barschels: Er beteuert seine Unschuld. Als Mitarbeiter Falschaussagen widerrufen, tritt er zurück. Hat Barschel sich das Leben genommen, weil er – durch die Affäre in die Enge getrieben - seine Karriere zerstört hatte? Es gibt genügend Gerüchte, die dem Krimi neue Dimensionen öffnen: Barschel sei in Waffengeschäfte verstrickt gewesen; Stasi, Mossad oder CIA hätten ihre Finger im Spiel gehabt.

Ein Fall, der vermutlich nie endgültig aufgeklärt wird. Oberstaatsanwalt Heinrich Wille, in den 1990ern Chefermittler im Fall Barschel, ist sich auch heute noch sicher: „Für Mord sprechen drei Indizien.“ Eins davon eine Kleinigkeit: „Ein Hemdknopf des Oberhemdes von Barschel wurde so abgerissen, dass er selbst dies aus anatomischen Gründen nicht getan haben kann.“

So geht’s Freya Barschel heute

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Uwe Barschels Witwe Freya

Freya Barschel (63), geborene von Bismarck, bewohnt heute noch das Landhaus der Familie an einem See bei Mölln (Schleswig-Holstein).

Einem Reporter der Süddeutschen Zeitung schilderte sie 2010 den Spuk in ihren vier Wänden: Mal schalteten sich die Lichter, mal der Fernseher ohne ihr Zutun an und aus. „Für mich ist seitdem klar, dass mein Mann immer noch energetisch im Haus anwesend ist. Und er bewacht mich sehr gut.“

Die Mutter von vier Kindern hat nach dem Drama von 1987 nicht wieder geheiratet. Sie ist bis heute davon überzeugt, dass ihr Mann ermordet wurde.