Bitte kein Burnout!So lege ich mir ein dickes Fell zu

Dauerstress im Job gilt als einer der Hauptgründe für Fehlzeiten und Frühverrentung. „Das Thema Burnout muss heraus aus der Tabu-Ecke und Gesprächsthema werden“, fordert Experte Frank Berndt.

Dauerstress im Job gilt als einer der Hauptgründe für Fehlzeiten und Frühverrentung. „Das Thema Burnout muss heraus aus der Tabu-Ecke und Gesprächsthema werden“, fordert Experte Frank Berndt.

Ein dickes Fell am Arbeitsplatz bedeutet, einen gesunden Abstand zum Job zu behalten und sich Druck oder Kritik seitens der Vorgesetzten nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen. „Wie psychisch widerstandsfähig ein Mensch ist, kann auch darüber entscheiden, ob und wie viel beruflichen Erfolg er hat“ - zu diesem Schluss kam eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Gegen Burnout und psychosomatische Beschwerden seien Berufstätige mit 'dickem Fell' besser geschützt - deswegen sei es sinnvoll, sich diese Dickhäutigkeit anzutrainieren. Doch das klingt leichter gesagt als umgesetzt. Wie kann ich mich im Arbeitsleben stärken und psychisch robuster werden? Frank Berndt von der Burnout-Fachberatung in Neuburg an der Donau hat Antworten.

Kann man sich im Job wirklich eine größere Widerstandsfähigkeit antrainieren?

Frank Berndt: Das „dicke Fell“ kann man sich nicht anziehen. Es muss wachsen – und zwar von innen heraus. Wenn ich zum Beispiel mich selbst, bzw. meinen Wert über meine Leistung definiere, trifft mich Kritik an meiner Leistung tief in meinem Innern. Der Schlüssel für ein dickes Fell läge in diesem Fall darin, eine andere Basis für mein Selbstwertgefühl zu finden – jenseits der Leistung. Ein anderer möchte es beispielsweise allen gern recht machen. Ist sein Umfeld dann enttäuscht von ihm oder unzufrieden, fühlt er sich dadurch existenziell in Frage gestellt. Hier läge der Schlüssel für ein dickes Fell in der Frage: Wer bin ich, wenn andere mich nicht mögen?

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Wer im Job versagt, sieht oft keinen Sinn mehr im Leben – das zeigt auch das traurige Beispiel der Manager-Selbstmorde. Warum müssen wir unbedingt erfolgreich sein?

Gute Frage. Das Thema ist sehr komplex und nicht in wenigen Sätzen zu beantworten. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Wer dazugehören möchte, muss sich dies - so glauben wir - in irgend einer Form zuerst verdienen und es anschließend auch dokumentieren. Das fängt schon im Kindesalter an: Wer bin ich, wenn ich keine Markenjeans habe, oder nicht das neueste Smartphone? Wer bin ich, wenn ich im Urlaub nicht in Fernost, sondern nur im Harz war? Wer bin ich, wenn ich nicht Klavier oder Fußball spiele, wenn ich nicht wie Claudia Schiffer aussehe, wenn es nicht zum Abitur, sondern nur für die Hauptschule reicht? Ein Niemand!

Wir lernen also, dass diese Dinge scheinbar etwas über uns aussagen – uns „wertvoller“ machen. Aber im Grund sind es Krücken, Persönlichkeitsprothesen. Und hier sind wir wieder bei der Frage nach unserem Selbstwertgefühl. In dem Moment, in dem ich meinen Selbstwert an etwas koppele, zum Beispiel an meinen beruflichen oder privaten Erfolg, mein Einkommen, meine Statussymbole, habe ich im Entscheidenden schon verloren!

Wie sieht eine gesunde Work-Life-Balance aus?

Ehrlich gesagt, halte ich nichts von dem Begriff „Work-Life-Balance“. Kann man eine Balance zwischen Arbeit und Leben herstellen? Lebe ich nicht, während ich arbeite? Wenn wir irgend eine Balance brauchen, dann ist es die zwischen Energieabgabe und Energiezufuhr. Ich kann hart und lange arbeiten und dabei auftanken, wenn mir die Arbeit Spaß macht und ich manche Dinge in der richtigen Perspektive sehe. Ich kann Freizeit haben und diese nur vor dem Fernseher oder dem Computer verbringen, ohne effektiv aufzutanken. Die Grenze verläuft also nicht zwischen Arbeit und Freizeit, sondern zwischen der Frage: „Was tut mir gut, wo tanke ich auf und was kostet mich Kraft?“

Woran erkenne ich, ob Kollegen oder Vorgesetzte kurz vor dem Burnout stehen?

Wenn ich Pech habe und mein Kollege oder Vorgesetzter ein sehr guter Schauspieler ist, erkenne ich möglicherweise den unmittelbar bevorstehenden Kollaps überhaupt nicht. Nichts desto trotz gibt es natürlich Signale, die auf ein Burnout-Syndrom hinweisen können, zum Beispiel übersteigerte oder depressive Reaktionen, Gereiztheit, Intoleranz, Schwarz-Weiß-Denken, Rückzug, emotionale Gleichgültigkeit, Unkonzentriertheit, Entscheidungsschwäche, Erschöpfung, überhöhter Kaffee- oder Alkoholkonsum, Kopfschmerzen und vieles mehr.

Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen immer mehr. Was muss in Unternehmen geschehen, damit weniger Mitarbeiter an Burnout erkranken?

Ich kenne einige Unternehmen, die hier hervorragende Arbeit leisten, und denen es gelungen ist, den Krankenstand und damit auch die krankheitsbedingten Kosten in den letzten Jahren deutlich zu senken. In der Regel haben diese Unternehmen auf höchster Führungsebene erkannt, dass die Gesundheit ihrer Mitarbeiter – auch die psychische - nicht nur ein Kostenfaktor, sondern ein bedeutender Wettbewerbsvorteil ist. In der Regel sind es ja die „guten“ Mitarbeiter, die ausbrennen, es sind die Leistungsträger. Und angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels kann sich kaum ein Unternehmen leisten, auf diese zu verzichten.

Fühlen sich Berufstätige ständig gestresst, sollten sie das nicht einfach ignorieren - sonst laufen sie Gefahr, einen Burnout zu bekommen. Mitarbeiter müssen spätestens dann die Notbremse ziehen, wenn sie merken, dass sie zur Entspannung immer häufiger zu Medikamenten greifen oder Alkohol trinken. Arbeitsmediziner raten, so schnell wie möglich den Betriebsarzt aufzusuchen: Er entwickelt mit Betroffenen Taktiken zum Stressabbau, bis hin zur Reha, und behandelt falls nötig auch das Thema Sucht. Konsequenzen muss man wegen des Gangs zum Betriebsarzt übrigens nicht befürchten: Er unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht.

Viele sind rund um die Uhr erreichbar, checken noch spätabends, am Wochenende oder im Urlaub ihre dienstlichen E-Mails. Diese Vermischung von Job und Freizeit ist auf Dauer ungesund. Gut sei deshalb, mit Vorgesetzten und Mitarbeitern klar abzusprechen: „Ich bin in einer Zeit X erreichbar, in Zeit Y ist das Diensthandy aus“, rät Prof. Thomas Kraus von der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin. Um psychischen Problemen, die ihren Ursprung im Job finden, entgegenzuwirken, helfe außerdem eine aktive Freizeitgestaltung: Statt abends nur erschöpft auf die Couch zu fallen und zum Feierabendbier zu greifen, sollte man besser musizieren oder Sport treiben.

Wie sieht eine erfolgreiche Prävention aus?

Was die Prävention angeht, ist ein erster Schritt die Aufklärung. Das Thema Burnout muss heraus aus der Tabu-Ecke und Gesprächsthema werden. Darüber hinaus geht es um die Übernahme und Förderung von Eigenverantwortung für die eigene psychische Gesundheit. Diese kann letztlich nicht delegiert werden – auch nicht an den Arbeitgeber. Ist dieser Schritt getan, geht es um gesunde Mitarbeiterführung – und hier um ein paar wenige Punkte, die den gravierenden Unterschied machen. Kurz: Burnoutprävention ist leicht, wenn man an ein paar wenigen, aber entscheidenden Stellen ansetzt.

Wie sehen Sie Konzerne wie Google, die Mitarbeitern zwar ein komplettes Freizeitprogramm bieten, aber sie so auch dazu verleiten, immer mehr Zeit am Arbeitsplatz zu verbringen?

Wie schon erwähnt: Von viel oder langer Arbeit allein brenne ich noch nicht aus. Es müssen noch ein paar andere Faktoren dazu kommen, damit es kritisch wird. Was Google und Co. betrifft, ist der Ansatz im Kern nicht schlecht. Ob und in wie weit er jedoch erfolgreich ist, muss die Zeit zeigen. Wie sagte unsere Kanzlerin? „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Google und vergleichbare Unternehmen sind noch relativ jung und haben im Vergleich zu andern auch einen recht jungen Altersdurchschnitt. Das heißt, dass hier Menschen arbeiten, die noch gut von ihrer Substanz zehren können und sich leichter regenerieren. Dazu kommt, dass ein Job bei Google in ihrer Altersklasse „hip“ ist und ihnen viel Anerkennung bringt.

Lassen wir Google zwanzig Jahre älter werden, dann sehen wir weiter. Können andere Unternehmen von Google lernen? Bedingt! Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass man bei jedem Arbeitgeber individuell sehen muss, wie es seine Mitarbeiter gesund und langfristig leistungsfähig erhalten kann. Jedes Unternehmen hat seine eigenen Herausforderungen.

Unsere Bildergalerie gibt zehn Hinweise, wie Sie ein drohendes Burnout rechtzeitig erkennen: