XXL-Bestechungs-SkandalKölner Richterin rechnet mit Stadtverwaltung von Frechen ab

tier1_2015_05_29_EXP_MDS-EXP-2015-05-29-71-84837617

Die Kölner Richterin Sabine Grobecker verkündete das Urteil.

Köln/Frechen – Katastrophale Zustände hätten in der Verwaltung der Stadt Frechen geherrscht, es seien grundlegende Prinzipien missachtet worden. Diese vernichtende Bilanz zog die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker am Dienstag im Landgericht Köln in ihrem Urteil gegen die Betreiber einer Sicherheitsfirma, die einen städtischen Mitarbeiter in ganz großem Stil bestochen haben.

Auch wegen Steuerhinterziehung müssen die Angeklagten für drei Jahre und acht Monate sowie vier Jahre und zwei Monate ins Gefängnis, ein Subunternehmer, der in 372 Fällen Scheinrechnungen ausgestellt hatte, erhielt dreieinhalb Jahre Haft. 

IMG_0987

Vier Jahre und zwei Monate muss der Angeklagte (hier mit seinen Verteidigern Frank Hatlé und Tobias Westkamp) in Haft.

Frechen: Abteilungsleiter aus Amt ließ sich bestechen

Detailliert schilderte Richterin Grobecker, wie ein Abteilungsleiter im Bereich Wohnen und Soziales der Stadt Frechen insgesamt rund 200.000 Euro an Bestechungsgeldern angenommen hat, um im Gegenzug diverse Aufträge an die Security-Firma der Hauptangeklagten zu vergeben. 

Ende 2015 war ein Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens, später war er als Hausmeister für die Stadt tätig, an den städtischen Mitarbeiter herangetreten, um sich gegen monatliche Schmiergeldzahlungen den Auftrag zur Bewachung einer Flüchtlingsunterkunft am Gymnasium Rotdornweg in Frechen zu sichern. 

Dazu wurde auch ein bestehender Catering-Vertrag aufgelöst; angeblich habe es im Flüchtlingsheim Beschwerden über die Qualität des Essens gegeben. Die Schüler des Gymnasiums wurden jedoch weiter von der bestehenden Firma verpflegt, „und das ist bemerkenswert“, sagte Richterin Grobecker. Der Catering-Auftrag wurde dann an den Mitarbeiter der Security-Firma vergeben, später stiegen auch die Geschäftsführer des Unternehmens in den Bestechungsvorgang ein. 

Frechen: Stadt-Mitarbeiter kassierte 10.000 Euro im Monat 

Zunächst wurden dem städtischen Mitarbeiter laut Urteilsbegründung 10.000 Euro im Monat bezahlt, allein für den Rotdornweg erhielt er 80.000 Euro. Ab April 2016 erhielt die Security-Firma auch den Auftrag für ein Flüchtlingsheim an der Anne-Frank-Schule, der Abteilungsleiter erhielt dafür insgesamt 45.000 Euro. Besonders perfide war das Vorgehen beim Containerdorf „Wohnen am Mühlenbach“. 

Weil die Einrichtung vorzeitig geschlossen wurde, fälschten der städtische Mitarbeiter und die Security-Chefs den bestehenden Vertrag und tauschten die Seiten aus, die die Kündigungsfristen betrafen. Aus zwei Wochen wurden so drei Monate, woraufhin die Stadt Frechen noch 320.000 Euro an Ausfallgebühren zahlen musste. 

Die Beute teilten die Täter untereinander auf, insgesamt beläuft sich die Bestechungssumme laut Richterin auf 200.000 Euro. Auch ein weiterer Mitarbeiter der Stadtverwaltung soll Gelder erhalten haben; er hatte die vom Abteilungsleiter gestellten Rechnung ungeprüft durchgewinkt, woraufhin die Zahlstelle der Stadt Frechen das Geld angewiesen hatte. 

IMG_0983

Erhielt drei Jahre und acht Monate Haft: Einer der Security-Chefs mit seinem Verteidiger.

Frechen: Staatsanwaltschaft sprach von Totalversagen der Stadt 

Die Staatsanwaltschaft hatte von einem „Totalversagen“ der Verwaltung gesprochen, Richterin Grobecker folgte dem. Die Stadt hätte es den Tätern sehr leicht gemacht. Es habe keinen Kontrollmechanismus gegeben, das Vieraugenprinzip sei nicht beachtet worden, Modalitäten von Ausschreibungen seien umgangen worden.

Richterin Grobecker kritisierte, dass die Stadt auch nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen die Mitarbeiter zunächst nichts unternommen hätte, „die wurden einfach im Amt gelassen.“ Nicht einmal Akteneinsicht hätte die Stadtverwaltung beantragt. 

Frechen: Schaden von knapp 1,5 Millionen Euro 

Insgesamt sei unter Berücksichtigung von Steuerhinterziehungen und überhöhten Scheinrechnungen ein Gesamtschaden von knapp 1,5 Millionen Euro entstanden. Zugute hielt die Richterin den beiden Geschäftsführern der mittlerweile insolventen Security-Firma und dem Subunternehmer die umfassenden Geständnisse und die zum Ausdruck gebrachte Reue. Strafmildernd sei auch, dass die Angeklagten für die Schadenssumme haftbar gemacht würden, was der Zerstörung von Existenzen gleichkommen könnte. 

Strafschärfend hätten sich der hohe Gesamtschaden und das von den Angeklagten erarbeitete komplexe System zur Verschleierung ausgewirkt, der Subunternehmer war zudem 17-fach vorbestraft. Die Richterin sprach von der Möglichkeit eines offenen Vollzugs, dann könnten die Verurteilten tagsüber arbeiten und müssten nur zur Übernachtung in die JVA Euskirchen. 

Parallel läuft seit einigen Monaten das Ermittlungsverfahren gegen die inzwischen gekündigten Mitarbeiter der Stadt Frechen, hier wird in Kürze mit der Erhebung der Anklage seitens der Staatsanwaltschaft Köln gerechnet. Der ehemalige Hausmeister einer städtischen Schule, der auch als Veranstalter tätig ist, früher mit zwei der nun Verurteilten zusammengearbeitet hat und als Bindeglied fungierte, hatte im Prozess ausführlich ausgesagt und den städtischen Abteilungsleiter schwer belastet.

IMG_1009

Der Subunternehmer erhielt dreieinhalb Jahre Gefängnis wegen Steuerhinterziehung.

Frechen: Weiteres Verfahren gegen Mitarbeiter der Stadt 

Nach einer zwischenzeitlichen Festnahme und mehreren Wochen U-Haft soll der Mann, der vom Kölner Strafverteidiger Martin Bücher vertreten wird,  bereits ein weitgehendes Geständnis abgelegt haben. 

Dem Beschuldigten droht wegen Bestechlichkeit im Amt eine empfindliche Haftstrafe; als höchste Einzelstrafe in dem Komplex hatte die Richterin am Dienstag die Angeklagten mit zwei Jahren und elf Monaten Haft bedacht. Da der Abteilungsleiter als Initiator gilt und immer wieder Ideen entwickelt hatte um seinen Arbeitgeber zu schädigen, droht ihm sogar eine weitaus höhere Strafe.