Tattoo-Messe in KölnWiebkes Geschichte geht unter die Haut
Köln – Die Vornamen von Mann, Frau und Kind, magische Symbole, ein weiser Spruch – jedes Tattoo hat seinen ganz persönlichen Anlass. Bei Wiebke (29) war es Schmerz und Verlust. Die Geschichte der Jura-Studentin mit Berufswunsch Richterin oder Staatsanwältin geht unter die Haut.
Stadt voll von Tattoo-Touristen
Die besten Tätowierer der Welt lockten am Wochenende beim „Tattoo-Bash“ wieder mehr als 12 000 Fans der bunten Körperkunst in die „Xpost“ am Gladbacher Wall.
Die Stadt war voll von Tattoo-Touristen, die aus ganz Deutschland, Holland oder Belgien anreisten, um ihr ganz eigenes Souvenir aus Köln mit nach Hause zu nehmen.
Mitten im Getümmel traf EXPRESS eine ungewöhnliche junge Frau. Ihr Körper ist zierlich, ihre Stimme sanft.
Doch ihre Haut gleicht einer Fototapete für Horrorfilme und schaurige Märchen: Totenschädel, in Blut getauchte Hände, ein mit Teer übergossener und mit einer Plastiktüte erstickter Frauenkopf, ein vom Teufel besessener Exorzist, sieben Raben flattern in ein Gewitter und Schneewittchens böse Königin schaut diabolisch...
Wenn die Haut der Spiegel der Seele ist – was spielt sich dann im Herz dieser Frau ab?
Wiebke erzählt, dass sie Jura studiert, bald an die Uni nach Düsseldorf wechselt. Ihre Welt sind Recht und Gerechtigkeit. „Ich liebe Paragrafen“, sagt sie. „Ich liebe die Ordnung im System.“
Doch vor zwei Jahren warf ein Schicksalsschlag alles durcheinander: „Ich habe meine Familie verloren, als Letztes meinen Vater, er litt unter Parkinson. Er hatte noch so viele Wünsche und Träume...“
260 Stunden bei Tätowierern
Ihren Schmerz verarbeitet Wiebke in immer neuen Schreckensbildern und Fabelfiguren. Rund 260 Stunden, schätzt sie, verbrachte sie schon bei verschiedenen Tätowierern, die ihre Freunde geworden sind. Bis zu 25.000 Euro müsste man für die Arbeiten hinblättern.
Bauch und Füße schmücken zwei Bibelzitate: »Quid est veritas« und »Quo vadis«. „Was ist die Wahrheit – und wohin gehst du“ – diese Fragen bestimmen mein Leben“, sagt sie.
Ihr großer Traum: Auch als „Volltätowierte“ ein Amt wie Richterin oder Staatsanwältin bekleiden zu können. Das wäre für sie ein Zeichen von Toleranz und Gleichberechtigung: „So offen und tolerant, wie ich auf die Menschen zugehe, sollen die Menschen auch auf mich zugehen. Vorurteile gegenüber Tätowierten sind doch schlichtweg ungerecht.“