Historische DokumenteSo hat Köln seinen Liedermacher Willi Ostermann noch nie gesehen

von Bastian Ebel (bas)

Köln – Der große kölsche Liedermacher Willi Ostermann (1876-1936): Ein Sammler hat der gleichnamigen Gesellschaft jetzt einen Schatz vermacht – mit bislang kaum gekannten Fotos, Platten und Dokumenten.

Ehrwürdig, fast andächtig schauen die Mitglieder der Willi-Ostermann-Gesellschaft auf den Tisch im Saal des Haus Unkelbach. Denn vor ihnen türmt sich ein echter Schatz auf. Ein Schatz, der ihren Namensgeber Willi Ostermann in noch nie gekannter Weise zeigt.

Archivar ist verblüfft

„Es gibt zwar alte Fotos von Ostermann“, staunt Wolfgang Frank (68), der Archivar der Gesellschaft. „Aber diese jetzt habe ich noch nie gesehen.“

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Über 1000 Exponate der kölschen Legende sind dem Verein, der sich um das Erbe des großen Kölners kümmert, jetzt zugänglich gemacht worden.

Willi Ostermann – der Supertsar von der Schäl Sick

Geboren wurde Willi Ostermann am 1. Oktober 1876 in Mülheim. Er wuchs später in Deutz auf – sein Vater Peter war Eisenbahner.

Ausbildung: Katholische Volksschule Deutz (1883-1891). Dann Beginn Ausbildung im Elektrohandwerk, ehe Ostermann in einer Druckerei Stereotypeur lernte.

Karriere: Ab 1895 Mitglied Laientheatergruppe. Er lernte den Komponisten Emil Neumann kennen. Da Ostermann keine Noten lesen oder schreiben konnte, sang er seine Texte auf Schallplatten. 1907 dann der Durchbruch mit „Däm Schmitz sing Frau eß durchgebrannt“. „Heimweh nach Köln“, „Villa Billa“, „Einmal am Rhein“ waren seine größten Klassiker.

Ehe: Erste Hochzeit 1903 mit Katharina Maria Striebeck. Die Ehe wurde an unbekanntem Datum geschieden. 1911 dann Hochzeit mit Käte Palm (†1959).

Beerdigung: Von einer Magenoperation erholte er sich nicht mehr richtig, schrieb vier Tage vor seinem Tod am 6. August 1936 „Heimweh“. 35.000 Menschen kamen nach Melaten, die Geschäfte hatten geschlossen.

Denn der leidenschaftliche Sammler Gerd Schmitz hat es den „Ostermännern“ vermacht.  Für Archivar Frank steht fest: „Es wird Wochen und Monate dauern, bis wir alles katalogisiert haben.“

Dokumente von unschätzbarem Wert

Alte, verschollen geglaubte Schellack-Platten von Ostermann-Songs liegen vor ihm, dazu Liederkarten mit seinen größten Hits „Einmal am Rhein“, „Kölsche Mädcher künne Bütze“ oder seine Hymne „Heimweh nach Köln.“ 

Sogar eine Partitur des ersten kölschen Sessions-Hits überhaupt (1907 wurde „Däm Schmitz sing Frau eß durchgebrannt“ zum Hit) hält Frank in den Händen. Er sagt: „Das ist von unschätzbarem Wert für uns.“

Über Jahrzehnte sammelte Gerd Schmitz auf Flohmärkten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, denn Ostermann machte nicht nur Lieder auf Kölsch, sondern auch Schlager.

Ostermann ganz privat

Doch nicht nur seine musikalischen Werke bürgt dieser Schatz: Wir sehen Willi Ostermann ganz privat auf Fotos – zum Beispiel mit seiner Frau Käte 1935, ein Jahr vor seinem Tod, Arm in Arm in Lugano am See. „In Erinnerung an Lugano“ hat er auf der Rückseite schriftlich vermerkt.

Ach, Willi Ostermann! Knapp 81 Jahre nach seinem Tod lernt Köln das Musik-Genie ganz neu kennen.

Kölner Stadtmuseum zeigt Interesse

„Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir eine Kubus-Ausstellung mit den Exponaten machen werden“, so Michael Euler-Schmidt, Vize-Direktor des Kölner Stadtmuseums.

Für ihn steht fest: „Ostermann war der erste kölsche Plattenmillionär. Ein Mann, der auch gerne dem süßen Leben zugetan war, in dem er öfter mal beim Pferderennen gesehen wurde.“

Das Leben genießen – so präsentiert sich Ostermann auch auf den Fotos, die EXPRESS exklusiv vorliegen. Auf einer Parkbank mit seiner Käte 1934, bei einem Rennbahn-Besuch 1932 oder auf einer alten Liederkarte mit seinem Hit „Heimweh nach Köln“. So hat Köln den großen Liedermacher noch nicht gesehen.

Sammlung sorgt für Gänsehaut

Das Geschenk von Sammler Gerd Schmitz an die Willi-Ostermann-Gesellschaft – sie ist für die Mitglieder mit Gold nicht aufzuwiegen. „Noch habe ich nicht jedes Exponat angeschaut und angefasst“, so Präsident Ralf Schlegelmilch (53). „Aber davon bekomme ich wirklich Gänsehaut.“

Schallplatten, Liedtexte und bislang unveröffentlichte Fotos sind in den Besitz des Vereins übergegangen. Ein  Vermächtnis, das möglichst vielen Kölnern zugänglich gemacht werden soll.

Ostermann-Gesellschaft sucht neue Bleibe

„Wir hoffen auf  eine neue Bleibe“, kündigt Schlegelmilch an, der jetzt intensiv auf die Suche nach einer Immobilie ist. „Wir sind ein kleiner Verein, brauchen keinen Prachtbau“, beschreibt er die Suche. Aber: „Wir wollen möglichst viele Stücke in einer Ausstellung in diesen Räumen präsentieren.“

Was wäre das für ein schönes Zeichen als Andenken an den Namensgeber!

Und es gibt offenbar noch mehr Material: Leserin Marianne Bernhard meldete sich beim EXPRESS.

„Ich habe auch noch alte Schellack-Platten, die ich gerne der Ostermann-Gesellschaft vermachen möchte.“ Gesagt, getan: In der kommenden Woche trifft sich Ostermann-Archivar Wolfgang Frank mit der rüstigen Rentnerin.

(exfo)