Mysteriöser FallDieses Richter-Bild zeigt eine ermordete Edel-Prostituierte

Nein, dieses Bild ist nicht unscharf! „Helga Matura mit Verlobtem“ heißt das Gemälde, das von Gerhard Richter in seiner typisch „verwischten“ Art gemalt wurde.

Nein, dieses Bild ist nicht unscharf! „Helga Matura mit Verlobtem“ heißt das Gemälde, das von Gerhard Richter in seiner typisch „verwischten“ Art gemalt wurde.

von Michael Kerst (mik)

Düsseldorf – Der große Gerhard Richter (81) – bis zum vergangenen November galt er mit einem für 26,4 Millionen Euro verkauften Bild als der teuerste lebende Maler der Welt, wurde vom Amerikaner Jeff Koons abgelöst.

Zu einer Zeit, als Richter-Bilder noch wenige 1000 Euro kosteten und nicht Millionen, erwarb das Düsseldorfer Museum Kunstpalast sein Gemälde „Helga Matura mit Verlobtem“ – und dieses Kunstwerk birgt ein wahrhaft mörderisches Geheimnis…

Mörderisches Geheimnis

Wer war diese Helga Matura, die dem Bild den Namen gab? Sie war – so kann man ohne Übertreibung sagen – die zweite Rosemarie Nitribitt: Wie diese arbeitete Helga Matura als Edel-Prostituierte in Frankfurt – und wie Nitribitt achteinhalb Jahre zuvor wurde auch sie bestialisch ermordet. Und: Beide Mordfälle wurden niemals aufgeklärt!

Helga Matura stammte eigentlich aus dem Kohlenpott, aus Bottrop. 1952, mit 19 Jahren, brach sie aus ihrem katholisch-konservativen Elternhaus aus und heiratete den Düsseldorfer Kaufmann Horst Wanders. Die Ehe blieb kinderlos und wurde nach nur drei Jahren geschieden.

Noch in ihrer Düsseldorfer Zeit hatte Helga an einer Misswahl im „Café Melodie“ teilgenommen – und war „nur“ Zweite geworden. Und die bildschöne Frau hatte begonnen, als Model zu arbeiten.

Nach ihrer Scheidung begann sie ein neues, spektakuläres Leben: Sie zog nach Luxemburg, arbeitete dort als Bardame. Dann nach Beirut, wo sie die Geliebte des saudischen Prinzen Hussein wurde. Ihr Versuch, ein bürgerliches Leben in Karlsruhe aufzubauen und eine Judoschule zu eröffnen, scheiterte.

Königin der Frankfurter Nächte

Helga ging nach Frankfurt, verdiente sich dort ihr Leben mit käuflicher Liebe. „Helga Matura, genannt »Karin«, ist seit neun Jahren die ungekrönte Königin der Frankfurter Nächte. Sie ist die zweite Nitribitt. Nur – sie hat mehr Format. Sie ist noch schöner. Noch begehrenswerter. Und noch lasterhafter“, schrieb die Zeitschrift „Quick“ in einer zehnseitigen Reportage nach ihrer Ermordung.

Noch einmal versuchte sie 1966, mit ihrem Verlobten Rainer Gutherz (dem von dem Richter-Gemälde), auszubrechen und ein bürgerliches Leben zu beginnen. Die beiden wollten ein Haus in München kaufen, kehrten nur noch für ein paar Tage nach Frankfurt zurück. Ein letztes Mal wollte Helga Matura ihr Geld mit Prostitution verdienen – und wurde ermordet. Getötet mit 16 Messerstichen!

Wie aber kam Gerhard Richter dazu, diese Geschichte künstlerisch zu verarbeiten (neben dem Werk im Düsseldorfer Museum gibt es ein weiteres Matura-Gemälde)? „Zwei Bilder aus der »Quick«-Reportage weckten sein Interesse“, erläutert der Leiter des Leipziger „Gerhard Richter-Archivs“, Dr. Dietmar Elger. „In der Mitte der 60er Jahre bediente sich Richter fast ausschließlich medialer Vorlagen.“

Entstanden sein dürfte das Bild in Düsseldorf, denn hier studierte Gerhard Richter von 1961 bis 1964 an der Kunstakademie, an der er dann 1971 selbst Professor wurde. Erst 1983 zog der gebürtige Dresdner nach Köln.